(Letzte Aktualisierung: 23.03.2022)
Einführung zu Abschnitt VII des Grundgesetzes von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Der siebte Abschnitt des Grundgesetzes regelt ist zwar mit „Die Gesetzgebung des Bundes“ überschrieben, er regelt aber eigentlich zwei verschiedene Thematiken: Zunächst geht es um die Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen den Ländern und dem Bund (Artikel 70 bis 74). Danach wird erklärt, wie Bundesgesetze verabschiedet werden und ihre Gültigkeit erlangen (Artikel 76 bis 82). Artikel 79 regelt schließlich eine besondere Art der Gesetzgebung, nämlich die Verfassungsänderung.
Artikel 70
(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.
Erläuterungen zu Art. 70 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 70 GG teilt das Recht der Gesetzgebung zwischen dem Bund (Bundestag und Bundesrat als Gesetzgebungsorgane) und den Ländern (Landtag bzw. Abgeordnetenhaus als Gesetzgebungsorgan) auf. Dabei folgt die Vorschrift dem Enumerationsprinzip: Die Gesetzgebungskompetenz steht grundsätzlich den Ländern zu, soweit nicht das Grundgesetz dem Bund ausdrücklich eine besondere Materie zuweist.
Artikel 71
Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.
Erläuterungen zu Art. 71 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die ausschließliche Gesetzgebung umfasst die Bereiche, in denen nur der Bund Gesetze verabschieden kann, nicht jedoch die Länder. Der Bund kann aber trotzdem per Gesetz den Ländern die Möglichkeit einräumen, einzelne Aspekte dieser Aspekte selbständig zu regeln.
Artikel 72
(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:
1. das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2. den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3. die Bodenverteilung;
4. die Raumordnung;
5. den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6. die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7. die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.
(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.
Erläuterungen zu Art. 72 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die konkurrierende Gesetzgebung ist ein schwieriger Regelungsbereich des Grundgesetzes. „Konkurrierend“ bedeutet insoweit zunächst nicht „feindlich“, sondern schlicht „parallel“. In diesem Bereich gibt es Bundes- und Länderkompetenzen, die nebeneinander stehen und sich ergänzen.
Absatz 1 sieht einen Vorrang des Bundes in diesem Bereich vor: Die Länder dürfen nur gesetzgebend tätig sein, soweit der Bund kein Gesetz erlassen hat. Der Bund bestimmt also, was er selbst regeln will und was er den Ländern „übrig lässt“.
Absatz 2: Die Rechtsgebiete der konkurrierenden Gesetzgebung stehen in Art. 74 GG, auf den hier verwiesen wird. Für einzelne Rechtsbereiche wird die Zuständigkeit des Bundes aber unter die Voraussetzung gestellt, dass eine bundesgesetzliche Regelung notwendig ist. Absatz 4 erlaubt es dem Bund, solche Gesetze für nicht mehr notwendig zu erklären und damit den Länder zu erlauben, hier selbst tätig zu werden.
Der dritte Absatz regelt zusätzliche einige Bereiche, in denen der Mechanismus der konkurrierenden Gesetzgebung umgekehrt gilt: Hier gehen die Ländergesetze vor, ein Bundesgesetz kommt in einem bestimmten Land nur zur Anwendung, wenn es kein abweichendes Landesrecht gibt.
Artikel 73
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6. den Luftverkehr;
6a. den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7. das Postwesen und die Telekommunikation;
8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a. die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a) in der Kriminalpolizei,
b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11. die Statistik für Bundeszwecke;
12. das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13. die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14. die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.
(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
Erläuterungen zu Art. 73 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die Liste der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung.
Artikel 74
(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:
1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2. das Personenstandswesen;
3. das Vereinsrecht;
4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5. (weggefallen)
6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7. die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8. (weggefallen)
9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10. die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13. die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14. das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15. die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18. den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19. Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a. die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20. das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23. die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24. die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25. die Staatshaftung;
26. die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27. die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28. das Jagdwesen;
29. den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30. die Bodenverteilung;
31. die Raumordnung;
32. den Wasserhaushalt;
33. die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.
(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
Erläuterungen zu Art. 74 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die Liste der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung.
Artikel 74a und 75 (weggefallen)
Artikel 76
(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen. Verlangt er aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Die Bundesregierung kann eine Vorlage, die sie bei der Zuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen oder, wenn der Bundesrat ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, nach sechs Wochen dem Bundestag zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist; sie hat die Stellungnahme des Bundesrates unverzüglich nach Eingang dem Bundestag nachzureichen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist zur Stellungnahme neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung.
(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestag durch die Bundesregierung innerhalb von sechs Wochen zuzuleiten. Sie soll hierbei ihre Auffassung darlegen. Verlangt sie aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Wenn der Bundesrat eine Vorlage ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, beträgt die Frist drei Wochen oder, wenn die Bundesregierung ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, sechs Wochen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung. Der Bundestag hat über die Vorlagen in angemessener Frist zu beraten und Beschluß zu fassen.
Erläuterungen zu Art. 76 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Abs. 1: Die Gesetzesinitiative liegt beim Bundestag, beim Bundesrat und bei der Bundesregierung.
Die Absätze 2 und 3 regeln die Behandlung von Gesetzesvorlagen des Bundesrats und der Bundesregierung.
Diese sind dem jeweils anderen Organ zur Stellungnahme zuzuleiten, bevor sie an den Bundestag gehen. Geregelt werden die Regelfristen, die dann je nach Komplexität oder Eilbedürftigkeit verlängert oder verkürzt werden können (drei, sechs oder neun Wochen).
Artikel 77
(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Sie sind nach ihrer Annahme durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrate zuzuleiten.
(2) Der Bundesrat kann binnen drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses verlangen, daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. Die Zusammensetzung und das Verfahren dieses Ausschusses regelt eine Geschäftsordnung, die vom Bundestag beschlossen wird und der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandten Mitglieder des Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. Ist zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, so können auch der Bundestag und die Bundesregierung die Einberufung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor, so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.
(2a) Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, hat der Bundesrat, wenn ein Verlangen nach Absatz 2 Satz 1 nicht gestellt oder das Vermittlungsverfahren ohne einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses beendet ist, in angemessener Frist über die Zustimmung Beschluß zu fassen.
(3) Soweit zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, kann der Bundesrat, wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt im Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingange des vom Bundestage erneut gefaßten Beschlusses, in allen anderen Fällen mit dem Eingange der Mitteilung des Vorsitzenden des in Absatz 2 vorgesehenen Ausschusses, daß das Verfahren vor dem Ausschusse abgeschlossen ist.
(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, so kann er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Erläuterungen zu Art. 77 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Art. 77 GG setzt den Unterschied zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen voraus und regelt deren Behandlung.
Der Unterschied zwischen beidem sind die Rechte des Bundesrats: Beim Zustimmungsgesetz muss der Bundesrat zustimmen, damit ein Gesetz verabschiedet werden kann. Beim Einspruchsgesetz hingegen liegt es am Bundesrat, von sich aus das Gesetz abzulehnen (Art. 77 Abs. 3 GG); diese Ablehnung kann der Bundestag dann auch mit absoluter Mehrheit überstimmen (Art. 77 Abs. 4 GG).
Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, sind die Bundesgesetze stets Einspruchsgesetze. Bedeutende Zustimmungsgesetze sind dagegen:
- Festlegung sicherer Dritt- und Herkunftsstaaten (Art. 16a Abs. 2 und 3)
- Übertragung von Kompetenzen an die EU (Art. 23 Abs. 1 und 1a)
- Terrorismusabwehr (Art. 73 Abs. 2)
- Staatshaftung und Beamtenrecht (Art. 74 Abs. 2)
- bundeseinheitliche Verwaltungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 Satz 6)
- Gesetze über das Eisenbahnwesen, die Post und die Telekommunikation (Art. 87e und 87f)
- bestimmte Finanzgesetze (Art. 104a Abs. 4 bis 6)
- Steuern, die den Ländern zufließen (Art. 105 Abs. 3)
- Steuern, die Bund und Ländern zufließen (Art. 105 Abs. 4 bis 6)
- Finanzverwaltung (Art. 108)
Artikel 78
Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 nicht stellt, innerhalb der Frist des Artikels 77 Abs. 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird.
Erläuterungen zu Art. 78 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 78 beschreibt, wann (insb. bei welchen Handlungen des Bundesrats) ein Gesetz zustande kommt. Im Einzelnen sind das:
ausdrückliche Zustimmung des Bundesrats
keine Anrufung des Vermittlungsausschusses (Art. 77 Abs. 2)
kein Einspruch (Art. 77 Abs. 3)
Rücknahme des Einspruchs
Zurückweisung des Einspruchs (Art. 77 Abs. 4)
Artikel 79
(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.
(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
Erläuterungen zu Art. 79 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Art. 79 Abs. 3 formuliert die sog. Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes. Demnach kann auch eine Grundgesetzänderung bestimmte Kerninhalte der Verfassung nicht abschaffen. Dies sind
- die Gliederung des Bundes in Länder,
- die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung,
- Artikel 1 (die Menschenwürde) und
- Artikel 20, also
- das Demokratiegebot,
- das Sozialstaatsgebot,
- den Föderalismus,
- die Volkssouveränität,
- die Gewaltenteilung,
- die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung,
- die Bundes der Regierung und der Gerichte an die Gesetze,
- das Widerstandsrecht
Teilweise wird die Passage „die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze“ erweitert gelesen, dass nämlich keines der Grundrechte abgeschafft werden darf.
Artikel 80
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.
(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.
Erläuterungen zu Art. 80 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Rechtsverordnungen sind untergesetzliche Normen, die von der Regierung alleine in einem vereinfachten Verfahren beschlossen werden können. Darum braucht es nicht des komplizierten Vorgehens bei der Verabschiedung von Gesetzen. Moderne Gesetze sehen meist weitgehende Verordnungsermächtigungen zugunsten der Bundes- oder Landesregierung vor.
Abs. 1 legt fest, dass in Gesetzen Verordnungsermächtigungen enthalten sein können. Anschließend wird kurz umrissen, wie diese verfasst sein müssen.
Bestimmte Verordnungen brauchen die Zustimmung des Bundesrats (Abs. 2).
Absatz 3 ermöglicht es dem Bundesrat, solche Verordnungen, denen er zustimmen muss, auch selbst zu entwerfen. Die Bundesregierung muss diese aber freilich nicht übernehmen. Im Endeffekt bleibt es bei der Regelung des Abs. 2, dass Bundesregierung und Bundesrat übereinstimmen müssen.
Wenn ein Bundesgesetz den Landesregierungen den Erlass von Verordnungen erlaubt, kann statt einer Landesverordnung auch ein Landesgesetz erlassen werden. Hintergrund ist, dass die Verfassungsordnung der Länder nicht angetastet werden soll. Ob diese nun innerhalb der ihnen eingeräumten Kompetenz ein Gesetz oder eine Verordnung erlassen wollen, muss der Bund nicht regeln.
Artikel 80a
(1) Ist in diesem Grundgesetz oder in einem Bundesgesetz über die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung bestimmt, daß Rechtsvorschriften nur nach Maßgabe dieses Artikels angewandt werden dürfen, so ist die Anwendung außer im Verteidigungsfalle nur zulässig, wenn der Bundestag den Eintritt des Spannungsfalles festgestellt oder wenn er der Anwendung besonders zugestimmt hat. Die Feststellung des Spannungsfalles und die besondere Zustimmung in den Fällen des Artikels 12a Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.
(2) Maßnahmen auf Grund von Rechtsvorschriften nach Absatz 1 sind aufzuheben, wenn der Bundestag es verlangt.
(3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechtsvorschriften auch auf der Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses zulässig, der von einem internationalen Organ im Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefaßt wird. Maßnahmen nach diesem Absatz sind aufzuheben, wenn der Bundestag es mit der Mehrheit seiner Mitglieder verlangt.
Erläuterungen zu Art. 80a GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 80a GG regelt den sogenannten Spannungsfall. Dieser ist ernster als der „Normalzustand“, aber noch kein Verteidigungsfall. Es handelt sich also um eine militärische Bedrohungslage, die in einen Krieg umschlagen könnte. Der Spannungsfall wird durch den Bundestag festgestellt.
Innerhalb des Grundgesetzes bezieht sich nur Art. 12 Abs. 5 Satz 1 auf den Spannungsfall.
Artikel 81
(1) Wird im Falle des Artikels 68 der Bundestag nicht aufgelöst, so kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären, wenn der Bundestag sie ablehnt, obwohl die Bundesregierung sie als dringlich bezeichnet hat. Das gleiche gilt, wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl der Bundeskanzler mit ihr den Antrag des Artikels 68 verbunden hatte.
(2) Lehnt der Bundestag die Gesetzesvorlage nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes erneut ab oder nimmt er sie in einer für die Bundesregierung als unannehmbar bezeichneten Fassung an, so gilt das Gesetz als zustande gekommen, soweit der Bundesrat ihm zustimmt. Das gleiche gilt, wenn die Vorlage vom Bundestage nicht innerhalb von vier Wochen nach der erneuten Einbringung verabschiedet wird.
(3) Während der Amtszeit eines Bundeskanzlers kann auch jede andere vom Bundestage abgelehnte Gesetzesvorlage innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der ersten Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gemäß Absatz 1 und 2 verabschiedet werden. Nach Ablauf der Frist ist während der Amtszeit des gleichen Bundeskanzlers eine weitere Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes unzulässig.
(4) Das Grundgesetz darf durch ein Gesetz, das nach Absatz 2 zustande kommt, weder geändert, noch ganz oder teilweise außer Kraft oder außer Anwendung gesetzt werden.
Erläuterungen zu Art. 81 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 81 GG behandelt den Gesetzgebungsnotstand. Dieser tritt ein, wenn sich der Bundeskanzler nicht mehr auf eine Mehrheit im Bundestag stützen kann, aber weder Neuwahlen angesetzt werden noch ein anderer Bundeskanzler per Misstrauensvotum gewählt wird. (Absatz 1)
Im Gesetzgebungsnotstand kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats dringliche Gesetze beschließen (Absatz 2), allerdings keine Verfassungsänderungen (Absatz 4).
Die Vorschrift hat bisher keine Bedeutung erlangt, da es nie zu einer solchen politischen Krise gekommen ist.
Artikel 82
(1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte verkündet.
(2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.
Erläuterungen zu Art. 82 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Mit der Verkündung werden die Gesetze „offiziell“. Es handelt sich um mehr als einen Formalakt, vielmehr wird so bestätigt, dass alle Schritte des Gesetzgebungsverfahrens ordnungsgemäß durchgeführt wurden.