V. Der Bundespräsident

(Letzte Aktualisierung: 14.09.2022)


Einführung zu Abschnitt V des Grundgesetzes von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Im Verfassungsgefüge wurde jedoch darauf geachtet, dass er keinen „Ersatzkaiser“ darstellt, was in der Weimarer Verfassung hinsichtlich des Reichspräsidenten der Fall war und für das Scheitern der Demokratie mitverantwortlich gemacht wird.

Seine Befugnisse beschränken sich daher im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben. Lediglich in Ausnahmefällen stehen ihm echte Entscheidungskompetenzen zu.


Art 54

(1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.

(2) Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig.

(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.

(4) Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen. Sie wird von dem Präsidenten des Bundestages einberufen.

(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit dem ersten Zusammentritt des Bundestages.

(6) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.

(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Erläuterungen zu Art. 54 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Die Wahlregeln für das Amt des Bundespräsidenten. Die Bundesversammlung wird also Wahlorgan eingeführt – ihr einziger Zweck ist auch tatsächlich die Wahl des Bundespräsidenten.


Art 55

(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.

(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Erläuterungen zu Art. 55 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Der Bundespräsident muss ein „Vollzeit-Bundespräsident“ sein, darum darf er nicht nebenbei noch Abgeordneter oder Regierungsmitglied sein (Abs. 1). Zusätzlich werden ihm aber auch noch bürgerliche Berufe neben dem Amt verboten (Abs. 2).


Art 56

Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid:

„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

Erläuterungen zu Art. 56 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Die Eidesleistung des Bundespräsidenten ein reiner Formalakt, der die Amtsübernahme in einen feierlich Rahmen einkleidet. Für die Ausübung der Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten ist die Vereidigung aber nicht notwendig.

Aus der Eidesformel ergeben sich auch keine konkreten Pflichten, die nicht schon im Grundgesetz stehen würden. Insbesondere aufgrund der vielen schwammigen Begriffe (Wohl des Volkes, Nutzen, Schaden, gewissenhaft, Gerechtigkeit) lässt sich praktisch niemals behaupten, der Bundespräsident habe gegen seinen Eid verstoßen.

Ob ein wiedergewählter Bundespräsident erneut vereidigt werden muss, ist umstritten.


Art 57

Die Befugnisse des Bundespräsidenten werden im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes durch den Präsidenten des Bundesrates wahrgenommen.

Erläuterungen zu Art. 56 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Da es in der Bundesrepublik keinen „Vizepräsidenten“ gibt, muss die Stellvertretung besonders geregelt werden. Diese wird dann relevant, wenn der Bundespräsident sein Amt vorübergehend oder dauerhaft nicht ausüben kann, bspw. bei Erkrankung, Tod, Amtsenthebung oder Rücktritt.

Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, dies dem Präsidenten des Bundesrats zu übertragen. Bundesratspräsident ist einer der Ministerpräsidenten der Länder, wobei es völlig vom Zufall abhängt, wer das Amt gerade ausübt, es rotiert jährlich. Aufgrund dieser Zufälligkeit ist Art. 57 GG durchaus umstritten.

Soweit der Bundesratspräsident den Bundespräsidenten wegen dessen Verhinderung vertritt, kann er selbständig agieren und ist insbesondere nicht an Weisungen des Bundespräsidenten gebunden.


Art 58

Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister. Dies gilt nicht für die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers, die Auflösung des Bundestages gemäß Artikel 63 und das Ersuchen gemäß Artikel 69 Abs. 3.

Erläuterungen zu Art. 58 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Artikel 58 ordnet an, dass der Bundespräsident nicht völlig eigenständig entscheiden kann, sondern fast immer der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung bedarf. Dies ist historisch bedingt eine Übernahme von Verantwortung und ein Akt der Kontrolle.


Art 59

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

Erläuterungen zu Art. 59 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Art. 59 Abs. 1 GG regelt, dass der Bundespräsident gegenüber anderen Staaten für die Bundesrepublik handelt.

Abs. 2 legt dann aber fest, dass Verträge aus dem Bereich der Gesetzgebung auch der Bestätigung durch die gesetzgebenden Organe (Bundestag und ggf. Bundesrat) bedürfen. Ebenso müssen Verwaltungsabkommen entsprechend bestätigt werden, also in der Regel durch die Bundesregierung.


Art 59a (weggefallen)

Art 60

(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter, die Bundesbeamten, die Offiziere und Unteroffiziere, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.

(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.

(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den Bundespräsidenten entsprechende Anwendung.

Erläuterungen zu Art. 60 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Artikel 60 GG legt weitere Kompetenzen des Bundespräsidenten fest.

Zum einen kommt ihm die Zuständigkeit für die Ernennung von verschiedenen Amtsträgern zu (Abs. 1). Dies ist jedoch rein formell, eine subjektive Entscheidungskompetenz ist damit nicht verbunden.

Außerdem kann er in bestimmten Fällen Begnadigungen für einzelne Personen aussprechen (Abs. 2).
Mehr zu Gnadengesuchen: Kanzlei Abamatus – Gnadengesuche

Diese Rechte muss der Bundespräsident aber nicht persönlich ausüben, sondern kann sie auch übertragen (Abs. 3).

Schließlich wird die die für Abgeordnete geltende Immunität auch auf den Bundespräsidenten erstreckt (Abs. 4).


Art 61

(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.

(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes verhindert ist.

Erläuterungen zu Art. 61 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Artikel 61 regelt die Präsidentenanklage, die einzige Möglichkeit, den Bundespräsidenten aus dem Amt zu entfernen. Es handelt sich dabei um kein Misstrauensvotum wie gegen den Bundeskanzler, sondern um den Vorwurf eines Verfassungsverstoßes.

Die tatsächliche Bedeutung geht gegen null, ein solches Verfahren wurde noch nie ernsthaft erwogen oder gar durchgeführt.

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