(Letzte Aktualisierung: 15.12.2025)
Text von Artikel 25 des Grundgesetzes
(1) Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts.
(2) Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets.
Erläuterungen zu Art. 25 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Brücke zwischen Völkerrecht und Bundesrecht
Artikel 25 des Grundgesetzes regelt die Stellung des Völkerrechts im deutschen Rechtssystem. Er erklärt die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ ausdrücklich zu Bundesrecht. Das bedeutet: Sie gelten automatisch, ohne dass sie vom Gesetzgeber gesondert umgesetzt werden müssen.
Was sind „allgemeine Regeln des Völkerrechts“?
Nicht jede völkerrechtliche Norm fällt unter diesen Begriff. Entscheidend ist, dass es sich um grundlegende, allgemein anerkannte Regeln handelt – nicht etwa um einzelne völkerrechtliche Verträge. Dazu zählen vor allem Regeln des Völkergewohnheitsrechts. Das sind ungeschriebene Rechtsnormen, die sich aus einer gefestigten Staatspraxis (usus) und der Überzeugung der Staaten, rechtlich gebunden zu sein (opinio iuris), ergeben.
„Eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts ist eine Regel, die von einer gefestigten Praxis zahlreicher, aber nicht notwendigerweise aller Staaten (usus) in der Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung (opinio iuris sive necessitatis) getragen wird. Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören hingegen nicht völkervertragliche Regelungen“, so z.B. das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 05.04.2016, Az. 1 C 3.15.
Vorrang vor nationalen Gesetzen
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts „gehen den Gesetzen vor“. Das heißt: Sollte ein einfaches Gesetz im Widerspruch zu einer solchen Regel stehen, gilt die völkerrechtliche Regel – das Gesetz ist insoweit unanwendbar. Diese sogenannte „Normenhierarchie“ stärkt die Stellung des Völkerrechts erheblich.
Unmittelbare Geltung
Ein besonders wichtiger Punkt ist: Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gelten unmittelbar – sie erzeugen also direkt Rechte und Pflichten für die Menschen in Deutschland. Es braucht keine Umsetzung durch den Gesetzgeber. Die Vorschriften sind justiziabel, also einklagbar.
Praktische Bedeutung
Ein klassisches Beispiel ist das völkerrechtliche Verbot der Folter. Es gilt weltweit und ist so grundlegend, dass es unter die allgemeinen Regeln des Völkerrechts fällt. Daraus ergibt sich nicht nur ein völkerrechtlicher, sondern auch ein verfassungsrechtlicher Schutz – direkt aus Art. 25 GG. Gleiches gilt für das Verbot von Angriffskriegen oder die völkerrechtliche Verpflichtung zur Achtung diplomatischer Immunitäten.
Rechtsprechung zu Art. 25 GG
- BVerwG, Urteil vom 05.04.2016 – 1 C 3.15: Abgrenzung von allgemeinen Regeln des Völkerrechts und völkerrechtlichen Verträgen
- BVerfG, Beschluss vom 24.02.2015 – 2 BvR 451/11: Zum Vorrang des Völkerrechts und der Bedeutung für das nationale Strafrecht
- BVerfG, Beschluss vom 22.10.1995 – 2 BvR 1481/94: Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz wegen Verletzung völkerrechtlicher Normen
Fachartikel zu Art. 25 GG
- Schröder: Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im deutschen Verfassungsrecht
- Randelzhofer: Artikel 25 GG und das Verhältnis von Völkerrecht und Bundesrecht (ZaöRV 66, 2006, S. 353 ff.)
- Dannecker: Die Bedeutung des Völkergewohnheitsrechts in der deutschen Rechtsordnung