(Letzte Aktualisierung: 26.10.2022)
Einführung zu Abschnitt VI des Grundgesetzes von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die Bundesregierung ist die wichtigste politische Einrichtung der Bundesrepublik. Auch wenn formell der Bundespräsident die Staatsspitze darstellt und der Bundestag die meisten verfassungsrechtlichen Kompetenzen hat, liegt die Tagespolitik ganz in der Hand der Bundesregierung.
Auch auf die Gesetzgebung hat die Bundesregierung einen viel größeren Einfluss als das Grundgesetz eigentlich vorsieht. Denn die meisten Gesetzesvorhaben gehen auf Vorschläge der Bundesregierung zurück.
Artikel 62
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.
Erläuterungen zu Art. 62 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Zusammensetzung der Bundesregierung. Die Staatssekretäre, die in einem Ministerium leitend tätig sind, werden nicht genannt. Auch sog. „Staatsminister“, sind nicht Teil der Bundesregierung.
Artikel 63
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
Erläuterungen zu Art. 63 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 64
(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.
(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.
Erläuterungen zu Art. 64 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Formal werden die Minister vom Bundespräsidenten ernannt, ausgesucht werden sie aber vom Bundeskanzler, faktisch von den regierungstragenden Parteien. Auch die Regierungsmitglieder werden vereidigt.
Artikel 65
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.
Erläuterungen zu Art. 65 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 65 Satz 1 GG regelt die sogenannte Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. Diese wird häufig thematisiert, insbesondere bei Regierungskrisen. Gemeint ist damit, dass der Kanzler die grundlegenden Entscheidungen für die Regierung trifft, also auch bestimmt, wie die Minister ihre Ministerien zu führen haben. Diese Regelung bezeichnet man auch als „Kanzlerprinzip“.
Satz 2 erlaubt den Ministern dagegen eine selbständige Geschäftsführung innerhalb der Richtlinien und für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich (sog. Ressortprinzip).
Satz 3 legt schließlich das Kollegialprinzip fest: Wenn es Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung gibt, entscheidet diese gemeinschaftlich. Dies kann bei allen Angelegenheiten eintreten, die vom Grundgesetz der Bundesregierung insgesamt zugewiesen sind. Auch wenn es sich um Zuständigkeiten einzelner Minister handelt, aber mehrere Ressorts betroffen sind und darum mehrere Minister zuständig sind, müssen Meinungsverschiedenheiten in der gesamten Bundesregierung geklärt werden. Die Entscheidung geschieht mit einfacher Mehrheit (§ 24 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Bundesregierung).
Die gerade erwähnte Geschäftsordnung beschließt die Bundesregierung selbst (Art. 65 Satz 4). In dieser werden die verschiedenen Funktionen der Bundesregierung und die Abläufe geregelt. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung ist hier zu finden.
Artikel 65a
(1) Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte.
(2) (weggefallen)
Erläuterungen zu Art. 65a GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Oberbefehlshaber der Bundeswehr ist in Friedenszeiten der Verteidigungsminister. In Kriegszeiten geht diese Zuständigkeit auf den Bundeskanzler über (Art. 115b GG).
Artikel 66
Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.
Erläuterungen zu Art. 66 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 67
(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Erläuterungen zu Art. 67 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Artikel 67 GG sieht ein konstruktives Misstrauensvotum vor: Der Bundeskanzler kann nicht einfach gestürzt werden, er muss vielmehr durch einen Nachfolger ersetzt werden. Dafür braucht es die Kanzlermehrheit, also mehr als die Hälfte der Bundestagsmitglieder.
Artikel 68
(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Erläuterungen zu Art. 68 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Die in Art. 68 GG vorgesehene Vertrauensfrage ermöglicht es dem Kanzler, „klare Verhältnisse“ zu schaffen und bei unsicheren Mehrheiten notfalls schnelle Neuwahlen herbeizuführen.
Nun kam es aber mehrfach in der Bundesrepublik vor, dass der Bundeskanzler aus anderen Gründen Neuwahlen ansetzen wollte. In diesem Fall wird eine Vertrauensfrage „unecht“ gestellt, es wird also vereinbart, dass einige Abgeordnete, die die Regierung eigentlich stützen, an der Abstimmung nicht teilnehmen, damit die Mehrheit verfehlt wird. Eine derartige Vorgehensweise ist nach herrschender Meinung zulässig und stellt keinen Missbrauch des Art. 68 dar.
Artikel 69
(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.
(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.
(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.
Erläuterungen zu Art. 69 GG von Rechtsanwalt Thomas Hummel
Stellvertreter des Bundeskanzlers („Vizekanzler“) ist gemäß Art. 69 Abs. 1 GG einer der Bundesminister, der vom Bundeskanzler zu seinem Stellvertreter ernannt wird. Traditionellerweise erhält größte die Koalitionspartei, die nicht den Kanzler stellt, dieses Amt.